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Zufriedenheit von Kindern in Deutschland - Von der Champions League weit entfernt

 

Die Lebenszufriedenheit deutscher Kinder ist geringer als in anderen Industrieländern. Allein schon dieser Tatbestand müsste allen, die sich politisch um das Wohl von Kindern kümmern, doch sehr zu denken geben. Dass Deutschland jedoch bei der Lebenszufriedenheit von Kindern nach den jüngsten repräsentativen Erhebungen einer Unicef-Studie aus 41 Ländern der OECD und der Europäischen Union lediglich abgeschlagen auf Platz 14 landet, ist politisch ein Desaster. Dieser Platz ist weit von der Champions League entfernt und qualifiziert nicht einmal zur Teilnahme an der Euro League. In der Vergleichsstudie, die vom Unicef-Forschungszentrum Innocenti in Florenz erstellt wurde, ist das Wohlbefinden von Kindern bezüglich ihrer mentalen und körperlichen Gesundheit sowie ihrer sozialen und intellektuellen Kompetenzen herangezogen und verglichen worden. Die Erkenntnisse daraus sind höchst ernüchternd.

 

Angesichts der Ergebnisse kann man sich auch nicht damit trösten, dass 75 Prozent der Mädchen und Jungen mit ihrem Leben in Deutschland (sehr) zufrieden sind. Im Umkehrschluss heißt das doch, dass jedes vierte Kind unzufrieden oder sehr unzufrieden ist. Gut, die Werte sind besser als in der Türkei (Zufriedenheitsgrad von 53 Prozent) oder auch als in Japan und Großbritannien.

 

Das kann doch aber nicht der Maßstab sein. Da müsste Deutschland doch tatsächlich für seine Kinder vielmehr die Champions League anpeilen. Dort genau spielen unsere direkten Nachbarn. In den Niederlanden liegt der Zufriedenheitsgrad bei den Kindern bei 90 Prozent, in der Schweiz bei 82 Prozent und in Frankreich bei 80 Prozent. Auch Dänemark, Norwegen und Finnland schneiden besser ab. Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef Deutschland in Köln bringt diese Werte dann auf den Punkt: „Im internationalen Vergleich ist das eben gar nicht so gut.“ Nein, liebe Unicef, das Ergebnis ist schlichtweg miserabel.

 

Doch warum ist das so? Laut Unicef liegen die Gründe darin, dass

 

-          Eltern vieler deutscher Kinder sind stärker sorge- und angstgetrieben seien als Erziehungsberechtigte in anderen Ländern. Wenn die Erwachsenen hierzulande weniger Zuversicht an den Tag legen als etwa Eltern aus unseren Nachbarländern, vermitteln, wirkt sich das eben auch auf die Einstellungen der eigenen Kinder aus.

 

 

 

-          es in Deutschland lediglich 72 Prozent der Mädchen und Jungen leichtfällt, Freundschaften zu schließen. Deutschland liegt hier im unteren Bereich und zum Beispiel auch weit hinter Rumänien, wo dies 83 Prozent der Kinder gelingt.

 

 

 

-          in Deutschland sich neben Estland und Polen die meisten Heranwachsenden auch als zu dick oder zu dünn finden. Auch hier nehmen die Kinder hierzulande also eine traurige Spitzenposition ein.

 

 

 

-          trotz einer langen Phase der Hochkonjunktur auch die Kinderarmut in Deutschland konstant auf einem hohen Niveau verharrt.

 

 

 

Viel zu viele Kinder werden hierzulande also weiter abgehängt. Die Schwelle hin zur Champions League scheint kaum überwindbar. Die zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Pandemie sind hierin noch nicht einmal berücksichtigt, gefährden aber zusätzlich sowohl die mentale wie auch die körperliche Gesundheit vieler Kinder in einschneidender Weise. „Insofern wirkt Corona wie ein gesellschaftlicher Brennspiegel,“ stellt auch Rudi Tarneden von Unicef zu Recht fest.

 

All diese Erkenntnisse sind sicher besorgniserregend und müssen gerade in den Staaten, die - wie Deutschland - nicht so gut abgeschnitten haben, trotz oder auch gerade wegen Corona auf die politische Agenda.

 

Ein spezifisches Ergebnis für Deutschland, das besonders aufhorchen lässt, geht aber uns alle an. Auch wenn es generell gut ist, dass viele Eltern in Deutschland die Sorgen um den Erhalt der Welt ernst nehmen und mit Stolz mit ansehen, dass ihre eigenen Kinder schon in ganz jungen Jahren als Klimabotschafter durch Stadt und Land ziehen, darf dies nicht zu einer Schwarzmalerei führen, die der ganzen Welt einseitig einen negativen Stempel aufdrückt. Denn neben Artensterben gibt es auch Artenvielfalt und immer mehr Artenschutz, neben Lebensmittelskandalen und elender Tierhaltung gibt es auch ökologisch erzeugte Lebensmittel und biologische Tierhaltung und neben Stigmatisierungen als Folge des Fremdenhasses oder von Behinderung gibt es auch gelungene Integration und Inklusion.  Es sollte daher die Aufgabe der Eltern sein, weder die Dinge zu verharmlosen noch zu dramatisieren und den Kindern einzutrichtern, dass sie künftig aller Chancen beraubt werden. Das würde sicher dazu führen, dass auch die Kinder bei uns weniger sorge- und angstgetrieben werden, wie es Unicef gerade festgestellt hat.

 

Es ist doch paradox: Früher fühlten sich viele Kinder glücklicher als die meisten Kinder heute, auch wenn es den meisten von ihnen objektiv gesehen schlechter ging. Vielleicht sollten wir Kinder einfach - zumindest bis zu einem gewissen Alter – wieder mehr Kinder sein lassen: Ihnen wieder mehr Freiräume lassen, um sich austoben zu können anstatt in festgezurrte Tagesabläufe zu pressen und dann über Nachhilfe zu später Stunde noch das Letzte aus ihnen herauszuholen. Dann könnte bei vielen Kindern wieder eher das Gefühl aufkommen, bezüglich ihrer eigenen Lebenszufriedenheit der Champions League zumindest ein kleines Stück näher gekommen zu sein.