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Corona Folgen: Wann kommt der „Marshall-Plan Kindergesundheit“?

 

Repräsentative Umfragen unter Eltern zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie gibt es immer wieder aufs Neue. Die jüngste forsa Umfrage hat aber besonders aufgerüttelt. Denn während der Corona-Krise haben Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in einem „noch nie zuvor gesehenen Ausmaß zugenommen“, stellt PD Dr. Susann Weihrauch-Blüher, Oberärztin von der Uniklinik Halle an der Saale, ernüchternd fest.

Sie stützt sich dabei auf Ergebnisse einer repräsentativen forsa-Umfrage unter Eltern in Deutschland, die die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und das Else Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) für Ernährungsmedizin beauftragt hatten. Für die Studie waren im März und April 2022 insgesamt 1.004 Eltern mit Kindern im Alter von drei bis 17 Jahren befragt worden.

Die Ergebnisse sind niederschmetternd:

·         16 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind dicker geworden, bei den Zehn- bis Zwölfjährigen sind es sogar 32 Prozent,

·         Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind doppelt so oft von ungesunder Gewichtszunahme betroffen wie solche aus einkommensstarken Familien (23 versus 12 Prozent),

·         44 Prozent der Kinder und Jugendlichen bewegen sich weniger als vor der Pandemie, bei den Zehn- bis Zwölfjährigen sind es 57 Prozent. 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben dagegen die Mediennutzung (TV, Computer, Spielkonsolen) gesteigert

·         Bei 33 Prozent der Kinder und Jugendlichen hat sich die körperlich-sportliche Fitness verschlechtert, bei den Zehn- bis Zwölfjährigen sind es 48 Prozent.

Es zeigt sich also, dass heute mehr Kinder und Jugendliche von Übergewicht betroffen sind als je zuvor. Schon nach der KiGGS-Erhebung des Robert Koch-Instituts aus den Jahren 2014 bis 2017 lag die Prävalenz von Übergewicht vor fünf Jahren in diesem Alter bei gut 15 Prozent und von Adipositas bei sechs Prozent.

Um diesen Trend noch stoppen zu können, hilft nur ein „Marshall-Plan Kindergesundheit“ in Form einer Konzertierten Aktion aller am Thema Beteiligter. Überfällig wäre zum Beispiel ein ressortübergreifender Bewegungsgipfel, aus dem konkrete Aktionen resultieren müssen, wie man die Corona-Generation wieder von den Bildschirmen in die Bewegung in der freien Natur bringen kann. Alle diesbezüglichen Versuchen waren bislang eher halbherzig, in ihrer Reichweite begrenzt und daher wenig effizient. Auch das gerade konzipierte Disease Management Adipositas (DMP) wäre ein Meilenstein. Immerhin hat der Gesetzgeber nun erstmals die Unterversorgung von adipösen Patienten offiziell anerkannt und Adipositas als chronische Krankheit definiert. Auch müsste die chronische Unterfinanzierung der Adipositas-Therapie für Behandler im Rahmen des „Marshall-Plans“ endlich auf den Prüfstand kommen.

Ob es dagegen sinnvoll ist, von Seiten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Kosten für die Adipositas-Therapie in der Regel - und nicht wie bisher als Ausnahme in aufwendiger Einzelfallentscheidung -zu erstatten, muss doch stark hinterfragt werden. Der Anreiz, gar nicht erst in die Adipositasfalle zu tappen, wäre dann noch viel geringer. Der Schaden, der entsteht, kann ja dann auf Staatskosten jederzeit wieder repariert werden. Und dieser Schaden wird kommen. Denn die nächste Coronawelle im Winter2022/2023, in der viele Kinder vermutlich wieder monatelang abhängen werden, kommt ganz bestimmt.

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