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Klimawandel und Hitze - Warum ältere Menschen besonders leiden und was nun zu tun ist

 

Das extreme Hitzejahr 2022 haben wir gerade hinter uns. Da sind jetzt die Ergebnisse, die das Klimaforschungsinstitut Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) zu Tage gefördert hat, höchst alarmierend. Jeder vierte AOK-Versicherte über 65 Jahre war demnach von 2008 bis 2018 überdurchschnittlich gefährdet, an heißen Tagen gesundheitliche Probleme zu bekommen und deshalb ins Krankenhaus zu müssen. Und Hitzetage waren in diesem Zeitraum noch deutlich seltenen als in der Zeitspanne von 2019 bis 2022.

 

Doch bereits bis zum Jahr 2018 gab es derart viele Hitzetagen mit Temperaturen über 30 Grad Celsius, dass es hitzebedingt zu drei Prozent mehr Krankenhauseinweisungen bei über 65-jährigen AOK-Versicherten gekommen ist. Und die Prognosen, die das MCC und der Versorgungsreport „Klima und Gesundheit“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK anstellen, sind alarmierend: Wenn die Erderwärmung weiter ungebremst voranschreitet, dann könnte sich bis zum Jahr 2100 die Zahl der hitzebedingten Klinikeinweisungen versechsfachen. Auch dabei wären ältere Menschen vorwiegend betroffen.

 

Fest steht: Bei Temperaturen ab 30 Grad Celsius kam es in Deutschland im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2018 zu 40 hitzebedingten Klinikeinweisungen je einer Million Älterer – zusätzlich zum normalen Tagesschnitt von 1.350 Einweisungen. Besonders hitzegefährdet sind demnach Menschen mit Demenz und Alzheimer sowie anderen Erkrankungen wie zum Beispiel Niereninsuffizienz, Depressionen, Diabetes und chronischen Atemwegserkrankungen. Davon wiederum sind insbesondere ältere Männer mit Vorerkrankungen überdurchschnittlich gefährdet. Bei dem am stärksten gefährdeten Prozent der über 65-Jährigen wurden sogar bis zu 550 weitere Klinikeinweisungen je Million Älterer erreicht –das 14-fache des Durchschnitts von 40 Einweisungen.

 

Es hängt allerdings nicht allein nur von der Hitze ab, ob ein (älterer) Mensch an einem heißen Tag zusätzlich im Krankenhaus behandelt werden muss. „Die Beziehungen zwischen Temperatur und gesundheitlichen Auswirkungen werden von einer Reihe weiterer komplexer und interagierender Faktoren beeinflusst, darunter biologische, ökologische, medizinische, soziale und geografische Faktoren“, so Dr. Nicolas Koch, Leiter des Policy Evaluation Lab am MCC.

 

Die Verarbeitung der gesundheitlichen Klimafolgewirkungen kann daher nur interdisziplinär erfolgen. Das alles muss allerdings unter der Koordination eines Lotsen erfolgen, wobei hier dem hausärztlich tätigen Arzt eine besonders zentrale Rolle zukommt. Zur Prävention hitzebedingter Risiken bieten sich diese hausärztlichen Handlungsfelder an:

1.   Klare Ansprache der Risiken und Präventionsmaßnahmen mit den Betroffenen und deren Familien

2.   Proaktive Kontaktaufnahmen (z. B. Hausbesuche und Initiierung des Netzwerks der Helfer)

3.   Anpassung der Medikation in Form eines vorsommerlichen Medikamenten-Reviews mit Anpassung der Medikamente im Falle einer Hitzewelle.

 

Im Kontext der Medikation wäre zudem eine verständlich formulierte Erweiterung der Beipackzettel mit Hitze-relevanten Hinweisen (BfArM) in ausreichend großer Schritt ein großer Fortschritt. Und auch die Etablierung einer fortlaufenden Beratung durch die Apotheker wäre dringend geboten, da während langanhaltender Hitzewellen die Medikationsverordnungen gerade bei älteren Patienten stark variieren, viele ältere Patienten aber nichts an ihren Einnahmegepflogenheiten ändern wollen. Diese Anpassungen greifen aber nur dann, wenn Arzt und Apotheker hier gemeinsam agieren, was bislang nur selten der Fall ist. Und schließlich wäre es überfällig, noch mehr Aufgaben an kompetentes nichtärztliches Fachpersonal zu übertragen, die häufig einen guten Draht gerade zu älteren Patienten haben.

Eines steht fest: Da der Anteil geriatrischer und multimorbider Patienten in Kliniken und Praxen, die unter der zunehmenden Erwärmung besonders leiden, weiter ansteigen wird, wird sich hier jede Investition auszahlen.